Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Fortbildung - Werkstattberichte

 

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Gesprächsführung in der Meditationsbegleitung

Fortbildungskurs der WSdK: 26.01. - 29.01.2009, Benediktushof Holzkirchen, Kursleiter: Giselher Löffler und Petra Speth

Ein Werkstattbericht

Autorin: Christiane Müller

Das Seminar beginnt am 26. Januar 2010 mit dem Abendessen. Für unsere Gruppe ist ein Tisch im Speiseraum reserviert, wir sind eine kleine Gruppe von insgesamt 11 Personen. Nur wenige der Teilnehmenden kennen einander. Drei Personen nehmen das erste Mal an einem Seminar der WSdK teil, eine davon bin ich.

Nach dem Abendessen sitzen wir in unserem Gruppenraum im Stuhlkreis zusammen. Nach einer kurzen meditativen Einstimmung stellen wir uns mit der Methode des Partnerinterviews vor. Auch die Seminarleitung – Giselher Löffler und Petra Speth – informieren über sich sowie über den Rahmen dieser Schulung. Anschließend formulieren wir unsere Wünsche und Erwartungen an das Seminar. Auf dem Flip-Chart entsteht eine bunte Palette von Themen, die wir in den kommenden 2½ Tagen ansprechen möchten. Mit der Frage, welche Rahmenbedingungen wir für ein Gespräch benötigen, steigen wir schon ins Thema "Gesprächsführung" ein. Wir erarbeiten die allgemeinen Bedingungen, die als Rahmen wichtig sind, wie Umfeld, Zeit, beiderseitige Gesprächsbereitschaft und das Schaffen einer angenehmen, vertrauensvollen Atmosphäre. Ferner beschäftigen wir uns damit, wie wichtig es ist, achtsam nicht nur dem anderen, sondern auch sich selbst gegenüber zu sein und die eigenen Schattenseiten möglichst gut zu kennen. Alle Gruppenmitglieder lassen ihre vielfältigen Erfahrungen in diese Übersicht einfließen.

Diesen Tag schließen wir mit einer Zeit der Kontemplation ab. Nach der Anreise, dem Gefühl von Fremdheit sowie nach den vielen neuen Eindrücken und Begegnungen empfinde ich die Stille als unendlich wohltuend.

Am Mittwoch geht morgens früh der Wecker. Neugierig und kein bisschen müde gehe ich in den Gruppenraum. Eine Teilnehmerin aus der Gruppe (Hildegard) leitet die Leibarbeit in Form von Dehn- und Klopfübungen an. Ich fühle mich rundum warm und gut auf das gemeinsame Sitzen vorbereitet. Nachdem alle ihre Meditationshaltung eingenommen haben, tönen wir einige Minuten auf die fünf Vokale, bevor die Klangschale das Zeichen für die stille Phase einläutet. Beim zweiten Sitzen kann dann jeder, der mag, sog. ‚Früchte der Nacht‘ einbringen. Die Stille der Kontemplation nehme ich mit zum Frühstück, das wir schweigend einnehmen. Anschließend lasse ich mich in die Arbeit einweisen, für die ich mich gleich nach der Anreise eingetragen habe.

Um 9.30 Uhr setzen wir unser Seminar fort. Mit einer kurzen geführten Meditation und einem "Blitzlicht" geht es los. Anknüpfend an den Vorabend reflektiert zunächst jede/r für sich selbst, wie sie/er die auf dem Flip-Chart dokumentierten Rahmenbedingungen für ein Gespräch für sich selbst umsetzen kann, beispielsweise in Einzelgesprächen nach Kontemplationssitzungen. Weiter geht es mit einer theoretischen Einführung. Ich lerne das Gesprächsmodell nach Jung kennen:

Gesprächsmodell nach Jung:

GespraechsmodellJung 123x94A – B direkte Kommunikation auf der bewussten Ebene
a) jeweils eigene unbewusste Einfälle und Körperreaktionen
b) wahrnehmen und mit Achtsamkeit reagieren
c) unbewusste Körperreaktionen, Haltung, Sprache… des anderen werden wahrgenommen
d) mit Achtsamkeit reagieren, sich bewusst machen
e) das Unterbewusstsein kommuniziert ebenfalls miteinander

 

Und schon geht es weiter mit einer praktischen Übung, in der eine Person spricht und die andere einfach zuhört, ohne etwas direkt zu kommentieren oder zu fragen. Dann werden die Rollen getauscht. Auf diese Weise nehme ich die eigenen Impulse – z. B. Gedanken, Gefühle, den Wunsch, etwas zu sagen – wahr und lasse sie los, registriere und akzeptiere immer wieder, was permanent bei mir auftaucht. Aktiv zuhören kann ich auch ohne Worte, u. a. durch eine zuwendende Körperhaltung sowie durch Kopfnicken, Mimik, meine gesamte Ausstrahlung. Der anschließende Erfahrungsaustausch ist geprägt von gegenseitiger Achtung und großer Offenheit.

Nun folgen Übungen, in denen wir in Gruppen von zwei bzw. drei Personen den Einstieg in ein Gespräch erarbeiten sowie kurze Gespräche führen. Anschließend reflektieren wir jeweils unsere Wahrnehmungen, tauschen sie aus und tragen sie in der gesamten Gruppe zusammen. Zwischen uns hat sich inzwischen eine dichte Atmosphäre entwickelt, die vertrauensvolle und oft sehr persönliche Beiträge fördert und trägt. Nachmittags kommt dann die Videokamera zum Einsatz. Das erste Gespräch führt Giselher Löffler mit einem Gruppenmitglied, dann einzelne Personen von uns, die sich dazu bereit erklärt haben.

Nach dem Abendessen werden zwei Gesprächsaufnahmen von allen gemeinsam angeschaut und analysiert. Für mich besonders beeindruckend ist dabei die einfühlsame Art des Feedbacks und meine Beobachtung, dass von allen Anwesenden immer wieder persönliche Erfahrungen und auch Fragen eingebracht und bearbeitet werden. So nehme ich sehr viele Anregungen auf, die ich u. a. bei einer künftigen Leitung von Meditationsgruppen gut umsetzen kann. Abgeschlossen und dadurch abgerundet wird der Tag mit Kontemplation.

Der Donnerstag beginnt wieder wie am Vortag und schenkt mir so Sammlung und Konzentration. Nach kurzer meditativer Sammlung und "Blitzlicht" beginnt das Seminar mit der intensiven Betrachtung des dritten aufgezeichneten Gesprächs. Im anschließenden theoretischen Teil lernen wir die Möglichkeiten von Übertragung und Gegenübertragung in einer spirituellen Begleitung kennen, ihre Wirkungen und die Methoden zu ihrer Vermeidung. Bei diesem von Sigmund Freud beschriebenen Vorgang ist neben dem achtsamen Umgang mit dem anderen Menschen besonders die Selbstwahrnehmung wesentlich: Ich sollte immer gut mitbekommen, in welcher körperlichgeistig-psychischen Situation bzw. Verfassung ich mich befinde.

In der gesamten Gruppe arbeiten wir u. a. auch Fragen zur "Unterscheidung der Geister" auf. Dabei werden mögliche Wahrnehmungen während der Kontemplation beispielhaft angesprochen und in Relation gesetzt zur Psychose und zur Schizophrenie als einer der dissoziativen Störungen. Gemeinsam erarbeiten wir anhand praktischer Beispiele, wie wir uns im Einzelgespräch jeweils verhalten können. Ich lerne, dass klare Grenzen oder konkrete Aufgaben die wichtige Funktion haben, Menschen wieder ins Hier und Jetzt zu bringen. Tauchen während eines Einzelgesprächs entsprechende Situationen auf, hilft mir meine eigene Wahrnehmung sowie die Frage, ob ich nachfühlen kann, was mir diese Person erzählt.

Nachmittags werden zwei Fallsupervisionen anhand von Fällen durchgeführt, die Gruppenmitglieder selbst mitgebracht haben. Mit diesen gefilmten Gesprächen setzen wir uns bis in den Abend hinein intensiv auseinander. Das Gespräch, das ich selbst führen darf, empfinde ich als ein kostbares Geschenk. Ich bin dankbar für das mir entgegengebrachte Vertrauen und die Offenheit, mir wird aber auch die Verantwortung bewusst, die ich übernehme, wenn ich ein so tiefgehendes Gespräch steuere. Aus der anschließenden Analyse nehme ich viele wertvolle Impulse mit.

Am Freitag heißt es schon Abschied nehmen. Am letzten Vormittag fassen wir die wesentlichen Kriterien einer Fallsupervision zusammen. Außerdem erarbeiten wir, wie wir an den sog. "Krisenherd" leichter über Nebenschauplätze herankommen. Wichtig ist dabei, die persönliche Vorstellungswelt des zu Beratenden aufzunehmen und u. a. auf (Schlüssel-)Wörter zu achten, die einen subjektiven Bedeutungsinhalt darstellen, seine Fähigkeiten, Argumentationen zu achten und ihn mit Hilfe offener Fragen an seine innere Weisheit heranzuführen.

Die Seminartage sind wie im Flug vergangen und meine Wünsche und Erwartungen haben sich mehr als erfüllt. Ich habe intensiv gearbeitet und viel gelernt und bin dennoch zu mir selbst gekommen. Mein Gefühl von Fremdheit wich schnell. Dazu beigetragen haben neben der gemeinsamen Kontemplation besonders die lebendige, offene Gemeinschaft in der Gruppe, der achtsame Umgang miteinander sowie die abwechslungsreiche Gestaltung der Arbeit, in der neben theoretischen und praktischen Übungen immer noch Raum war für geführte Achtsamkeitsübungen oder für Leibarbeit, wenn der Wunsch dazu geäußert wurde. Auch die Harmonie zwischen Giselher Löffler und Petra Speth hat sich auf die Gruppe übertragen.

Die kontemplative Haltung aller Gruppenmitglieder hat dem Thema seine spezielle Qualität gegeben. Ich fahre bereichert und beschenkt nach Hause.

Christiane Müller,
Iserlohn, geboren 1955, verheiratet, 2 erwachsene Kinder. Dipl. Verwaltungswirtin, bis 2006 über 33 Jahre tätig als Verwaltungsbeamtin, seit 2009 selbstständig als Psychologische Beraterin und Coach, Schülerin von Luitgard Tusch-Kleiner.

 

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