Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Orte der Praxis

 

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Es geht nicht um Häuser, Konzepte oder Institutionen, sondern um den Weg

Autor: Jan Šedivý
„Warum tust du dir das an?“

So fragte mich meine Frau vor etwa 20 Jahren, als ich ihr den Plan einer Vereinsgründung anvertraute. Ja, warum gründe ich einen Verein für Kontemplation, obwohl mir jede Vereinsmeierei widerstrebt? Warum organisiere und leite ich Kurse und fahre viele hundert Kilometer, um sie auch in Tschechien durchzuführen? Warum tu ich mir an, ein Lehrer der Kontemplation zu sein? Ich muss gestehen, dass ich mir diese Frage nie ernsthaft gestellt habe. Sie wurde erst an mich herangetragen.

Das Einzige, das mir als Antwort dazu einfällt, ist eine Gegenfrage: Warum geht morgens die Sonne auf, und warum fällt der Regen vom Himmel?

Am Anfang jeder Tätigkeit als Kontemplationslehrer steht die Bestätigung und Beauftragung durch einen Lehrer. Diese ist wichtig, aber sie ist nicht alles. Denn sie muss mit dem übereinstimmen, was man selbst zutiefst empfindet. Deshalb ist das Lehrersein in der Kontemplation auch eine Berufung. Diese wird unterschiedlich erlebt. Sie ist etwas sehr Persönliches, nicht immer lässt sich darüber berichten. Ich glaube aber, jeder Berufung sollte die Haltung des Nichtanders- Könnens zugrunde liegen. Es ist wie in der Natur. Wenn der Himmel klar ist, scheint die Sonne bei Tag und der Mond bei Nacht, und wenn der Frühling kommt, blüht der Löwenzahn. Das Lehren und die Weitergabe des Weges ist ein Ausdruck der eigenen Identität. Beides, die Beauftragung von außen und die innere Berufung, gehört zusammen. Andere denkbare Beweggründe wie Lebensunterhalt oder der Wunsch, etwas aufzubauen, treten dabei weit in den Hintergrund.

Du brauchst einen langen Atem: Von der Berufung zum Verein

Als ich vor mehr als 30 Jahren begonnen hatte, Kontemplationskurse anzubieten, sagte mir Pater Willigis: „Etwas in dieser Richtung aufzubauen ist schwer und es dauert lange.“ Bei mir haben diese Worte eine große Entschlossenheit ausgelöst.

Kurze Zeit später fragte ich den damaligen Generalvikar der Erzdiözese München, ob und wenn ja, welche Möglichkeiten er sehen würde, Kontemplation im Rahmen der Seelsorgetätigkeit im kirchlichen Dienst anzubieten. Er ließ sich detailliert berichten, was ich genau machte und wozu es gut sein sollte. Daraufhin hat er mir ermöglicht, einen Teil der Arbeitszeit dem Angebot von Kontemplationskursen zu widmen und hat dies, solange er im Amt war, auch gegenüber Kritik verteidigt.

Das war ein erster Erfolg, aber ich wollte mehr. Mir schwebte darüber hinaus auch ein eigenes Haus für Kontemplation vor.

Da ich im kirchlichen Dienst beschäftigt war, hoffte ich ein solches Vorhaben im kirchlichen Auftrag realisieren zu können. Geeignete Objekte gab es im kirchlichen Besitz mehrere.

Ich vermutete, dass ich die Kirchenleitung eher überzeugen kann, wenn ich nicht als Einzelperson auftrete. Hieraus entstand die Idee, einen Trägerverein zu gründen, der ein nachhaltiges Organisations- und Finanzierungskonzept für die Kontemplation verfolgen und auch imstande sein sollte, den Betrieb eines Kontemplationszentrums zu gewährleisten. Im November 1997 fand sich schließlich eine Gruppe von 28 Personen zusammen und gründete den Verein für Kontemplation e. V.

Doch unsere Ansinnen wurden von der Bistumsleitung wiederholt entweder vertröstet oder abgefertigt. Diese Art der Seelsorge gehöre nicht zum „Kerngeschäft“ der Kirche, sagte einmal ein Prälat. Ein anderes Mal wurde ich gefragt: „Wer ist ihre Lobby?“ als ich dem zuständigen Herrn etwas frech erwiderte: „Das könnten doch sie sein“, blickte er mich nur mitleidvoll an. Daraufhin hat mir Pater Willigis ein Gespräch mit Pater Lassalle vermittelt, der als spiritueller Lehrer in kirchlichen Kreisen angesehen war. Nachdem sich Pater Lassalle bereit erklärt hatte, unser Anliegen zu unterstützen, bekam ich von meinem Ansprechpartner in der Bistumsleitung die Antwort: „Er ist ein Ordensmann. Es muss aber jemand aus unserer Diözese sein.“ in diesem Augenblick war klar, dass die Erfolgschancen nicht gut standen.

In einem letzten Versuch wandte ich mich mit einem Brief direkt an den damaligen Erzbischof, Kardinal Wetter, der gerne von „Biotopen des Glaubens“ sprach. Ich stellte unser Vorhaben als „Schule des Gebetes“ vor. Kurz darauf wurde ich zu einem sehr freundlichen Gespräch nach München eingeladen. Es war offensichtlich, dass der Erzbischof nachgeholfen hatte. Nach wenigen Tagen war ein geeignetes und leerstehendes Objekt gefunden, das in kirchlichem Besitz war. Es folgten einige Treffen und Besprechungen mit Fachleuten. schließlich wurde das Ganze dem Leitungsgremium des Bistums zur Entscheidung vorgelegt. Das Ergebnis lautete „nicht genehmigt“.

Damit wurde für mich eine Wende eingeleitet und ich erkannte: Dann ist es anscheinend nicht meine Aufgabe, ein eigenes Haus für Kontemplation zu betreiben. Letztlich geht es nicht um Häuser, Konzepte oder Institutionen, sondern es geht um den Weg. Es hat auch Vorteile, keine Verantwortung für ein eigenes Haus tragen zu müssen. Es muss doch möglich sein, dass die bereits bestehenden Tagungshäuser für unsere Weggemeinschaft ein stück weit Zuhause sein können.

Zusammenarbeit mit Kloster Armstorf

Inzwischen hat unser Verein zahlreiche Spenden eingenommen, denn die Unterstützung durch die Förderer war großartig. Hieraus entstand die erfreuliche Verpflichtung, die erhaltenen Gelder sinnvoll und satzungsgemäß auszugeben.

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Kloster Armstorf, Foto: (c) Autor

Nachdem ich schon viele Jahre Kurse in Kloster Armstorf bei Dorfen angeboten hatte und wir mit den dort lebenden Franziskanerinnen immer eine hervorragende Zusammenarbeit hatten, entstand die Idee, einen leerstehenden Raum im ruhigsten Teil des Hauses als Meditationsraum einzurichten. Ein Materialraum war bereits vorhanden, und ein Sprechzimmer ließ sich leicht einrichten. Der Verein war bereit, sämtliche Kosten für die Umbauarbeiten zu übernehmen. Im Gegenzug sollte uns dieser Raum zur Verfügung stehen, wann immer wir ihn brauchten. Daneben würden ihn auch andere Gruppen für meditative Angebote nützen können. Die Schwestern des Klosters Armstorf waren mit unseren Vorschlägen einverstanden, und wir erhielten im Jahr 2004 den geplanten Meditationsraum. Zusätzlich bauten wir 2006 noch ein begehbares Labyrinth im weitläufigen Garten des Klosters, das seither von vielen Hausgästen gerne meditiert wird.

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Kloster Armstorf Labyrinth, Foto: (c) Autor

Erweiterte Zusammenarbeit

Im Jahr 2013 erhielt ich eines Tages einen überraschenden Anruf von Sr. Ludwigis Fabian, Benediktinerin, Zenmeisterin und Leiterin des „Hauses der Stille“ in Sachrang. Sie würde mich gerne kennenlernen, denn Pater Willigis habe mich ihr empfohlen. Sr. Ludwigis stellte mir das „Haus der Stille“ vor und schilderte ihre Situation. Sie wollte aus Altersgründen die Verantwortung über das Haus in andere Hände legen und fragte mich, ob ich daran Interesse hätte. Allerdings zeigte sich, dass ein Weiterbetrieb des Hauses aus verschiedenen und nicht zuletzt aus finanziellen Gründen nicht zu bewerkstelligen war.

Aus der Zusammenkunft mit Sr. Ludwigis und aus der Überzeugung heraus, dass es eben nicht um Häuser, Konzepte oder Institutionen geht, sondern um den Weg, wurde aber eine andere Idee geboren. Der Verein würde für Sr. Ludwigis und die von ihr bestätigten Lehrer die Organisation und Verwaltung übernehmen und sie einladen, ihre Kurstätigkeit nach Armstorf und andere Häuser zu verlegen. Auf diese Weise entstand etwas Neuartiges: Anstelle, dass einzelne Zen- und Kontemplationslehrer ausschließlich für ihr eigenes Angebot arbeiten würden, organisieren sie sich, nicht als eine „Schule“, sondern in einer übergeordneten Weggemeinschaft und erreichen viele Menschen an verschiedenen Orten.

Bis zu ihrem Tod im Jahr 2016 gestaltete Sr. Ludwigis das Zusammenwachsen unserer Gruppen und Lehrer zu einer Weggemeinschaft aktiv mit. Zusammen mit ihren und meinen Schülern sind wir derzeit 11 Lehrer und bieten in diesem Jahr 31 Kurse in Kontemplation und Zen an.

„Wenn es dir gut tut, dann komm.“
Franz von Assisi

 „Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Ummögliche."
Franz von Assisi

Jan Šedivý,
geb. 1948, verheiratet, Diplom-Theologe, 30 Jahre Dienst in der Erwachsenenbildung, selbstständige Kurstätigkeit in Kontemplation.
E-Mail: E-Mail,  Internet: Link

 

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