Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Frauen und Männer der Mystik

 

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Worte der Wüstenmutter Theodora

Autorin: Sr. M Mechthild Fricke OP

Nach dem Vortrag der Wintertagung 2000 „Krisenintervention bei den Wüstenvätern" stellte sich die Frage nach den Wüstenmüttern. Anne Weller veröffentlichte in der letzten Ausgabe einen grundlegenden Artikel. Sr. Mechthild Fricke, OP, und Franz-Xaver Jans-Scheidegger führen diesen Impuls durch die Betrachtung von Worten der Wüstenmutter Theodora weiter. Damit laden sie zum Gespräch ein. Über weitere Diskussionsbeiträge zu diesem relativ unerforschten Gebiet unserer kontemplativen Tradition würden wir uns freuen. SJH

Die Wüstenmutter Amma Theodora

Wiederum sagte dieselbe Amma Theodora: „Einmal wurde ein frommer Mann von einem gelästert. Und er erwiderte ihm: „Ich könnte dir auch ähnliches sagen, aber das Gesetz Gottes schließt mir den Mund."

Die Wüstenmutter Theodora wusste, das Wort „Lästerung" kommt von „Laster." Dort, wo die Grundtriebe im Menschen das rechte Maß überschreiten, wo sie ohne „Beschneidung" zügellos wachsen, werden sie zum Laster. Sie beherrschen den Menschen und bestimmen sein Reden und Tun.

Ein „Frommer" hingegen, der sich bewusst mit seinen Grundregungen und Grundbedürfnissen auseinandersetzt und sie in Zucht hält, wird durchlässig für seine Wesensnatur. Diese offenbart ihm seine Würde und seinen Wert. Wird er „von einem gelästert", so braucht er sich nicht zu verteidigen, er weiß, wer er ist. Sein Mund schweigt, weil sein Herz sich am Gesetz Gottes orientiert, das in seinem Innersten „eingeschrieben" ist.

Sie berichtete auch: „Ein Christ, der mit einem Manichäer über den Leib stritt, sprach also: Gib dem Leib das Gesetz und du wirst sehen, dass der Leib seinem Bildner angehört."

Der Christ weiß, im Gegensatz zum leibfeindlichen Manichäer, dass alles, was Gott geschaffen hat, gut ist, auch der Leib. Er weiß aber auch, dass er in seiner Individualität ein Gefallener ist, ein in Trennung und Entfremdung von Gott und seiner Schöpfung Lebender ist. Sein Bewusstsein ist vernebelt und blockiert durch die Identifikation mit seinem Ich. Er fühlt sich nicht eins mit seinem Körper. Dem Leib das Gesetz geben heißt, diese Identifikation durch Offenheit und Achtsamkeit auf Gott, als seine Mitte hin ausgerichtet, zu lösen, um das Gesetz Gottes, das in der Seele Grund angelegt ist, freizulegen. Die Ausrichtung auf das Göttliche ermöglicht die individuelle Entfaltung des Menschen und lässt ihn erfahren, wer er zutiefst ist: Bild und Gleichnis Gottes.

Dieselbe sagte wiederum: „Der Lehrer muss fremd sein der Liebe zum Herrschen, fern von eitlem Ruhm, weit weg von Stolz, darf sich nicht aus Schmeichelei zum Gespött machen lassen, nicht verblendet werden durch Geschenke, sich nicht von der Esslust überwinden lassen, nicht vom Zorn mitgerissen werden. Sondern muss großherzig sein, wohlanständig, über alles demütig, einsichtig und duldsam, mitfühlend und seelenliebend."

Es kann keiner dem Anderen Lehrer sein, wenn er nicht selbst zuvor die Phasen der Reinigung in seinem Inneren durchlebt und durchlitten hat.

Man könnte also sagen: Der Lehrer muss im geistigen Bereich demütig, im Bereich der Grundtriebe maßvoll, im emotionalen Bereich frei sein vom Besetztsein durch Gefühle.

Erst die bewusst durchlebte Reinigungsphase weckt den spirituellen „Hunger und Durst" nach Gerechtigkeit, schenkt barmherziges Denken und Herzenserkenntnis. Diese machen den Lehrer „großherzig, wohlanständig, über alles demütig, einsichtig und duldsam, mitfühlend und seelenliebend."

Wiederum sagte sie: „Nicht Askese, Entbehrung des Schlafes, nicht vielerlei Anstrengungen rettet - es rettet allein die echte Demut. Da war ein Einsiedler, der die Dämonen austreiben wollte. Er fragte sie: „Wodurch fahrt ihr aus? Durch Fasten? Sie antworteten: Wir essen und trinken nicht! Etwa durch Schlaflosigkeit? Wir schlafen nicht! Oder durch Leben in der Einsamkeit? Wir leben in der Vereinsamung. Wodurch fahrt ihr denn aus? Sie sagten: „Nichts besiegt uns als die Demut! Siehst Du also, dass die Demut das Mittel zum Siege über die Dämonen ist?"

Nicht die Ichaktivität rettet den Menschen, was auch immer er sich an frommen Werken aussucht, denn diese erlösen den Menschen nicht von seinem Eigenwillen, sondern es rettet allein die Demut. ... Im Fasten, in der Schlaflosigkeit, in bewusst gewählter Einsamkeit, in all dem steckt noch zu viel „Ich". Darum rät Meister Eckhart: „Wo es dir begegnet, gehe ihm aus dem Weg. Lass es zurück, damit die göttliche Empfängnisanlage in dir frei wird."

Demut ist reine Absichtslosigkeit, Armut im Geist, die um die Christuskraft im Seelengrund weiß, die allein den Dämon zu besiegen imstande ist. Demut ist reines Gebären. Durch das kontemplative Gebet üben wir uns in diese Haltung ein.

Wiederum erzählte die Amma Theodora: Ein Mönch, der unter einer Unzahl von Anfechtungen zu leiden hatte, sagte sich: „Ich gehe von hier weg!" Wie er seine Sandalen anlegen wollte, sah er einen anderen, der ebenfalls die Sandalen anlegte, und er sagte zu ihm: „Du gehst doch nicht meinetwegen fort? - „Siehe, ich gehe dir voran, wohin immer du auch gehst!"

Dieser arme Mönch erkennt nicht, dass er seinen Schatten projiziert. Dass er ihn draußen sieht, obwohl er ihn in sich selbst sehen muss. Er bleibt unerlöst und sucht allein in der Flucht die Erlösung von seinem Leiden. Wie er seine Sandalen anlegt, wie er sich niederbeugt, d. h., sich demütigt, wird ihm bewusst, dass er zu sich kommen und zu sich selbst reden muss. Erst wenn er sich mit seinem Schatten auseinandersetzt, ihn in sich akzeptiert als zu ihm gehörend und nicht mehr nach außen projiziert, beginnt die Erlösung und er kann zu Hause bleiben.

Sr. M. Mechthild Fricke, OP, Vincentiusstraße 4, 67346 Speyer, geb. 1937, Dominikanerin, Kontemplationslehrerin, Viele Jahre Praxis der Kontemplation.
E-Mail: E-Mail,  Internet: Link

 

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