Würzburger Forum der Kontemplation e. V. (WFdK)

Aus der Praxis für die Praxis

 

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Kontemplation und Eutonie

Autorin: Wilma Alfs

„Kontemplation - eine grundlegende Weise, dem Leben zu begegnen“, so las ich kürzlich. Das hat mich sehr angesprochen.

Eutonie

Das Wort hat einen anderen Erfahrungsbereich in mir berührt, der mir „Bereitung des Leibes und des ganzen Menschen auf das Leben hin“ bedeutet: Eutonie, ein aus dem Griechischen kommendes Wort, mit zwei Wortanteilen: Eu = gut, wohl und Tonos = Spannung.

Wer hinhört, der wird ahnen, dass es bei dieser Art von Leibesübungen nicht einfach um eine Entspannungstechnik geht. Bis eine Spannung wohl wird und hell, gilt es hinspürend wahrzunehmen, wie ich meine Spannung erfahre. Ich muss sie annehmen als mein „Hier und Jetzt“, denn nur das Annehmen ermöglicht Verändern und Loslassen. Kein Mensch kann aus seiner Geldbörse ein Geldstück ausgeben, das er nicht zuvor angenommen hat.

Von der Wortfüllung her meint Eutonie – wie Kontemplation – einen Übungsweg und zugleich Erspüren ... wie Erfahren. Erspüren und Erfahren kann kein Mensch „machen“ – man kann beidem nur begegnen. Hier wie da bedarf es einer kontinuierlichen Übung.

Einüben des Leibes, so möchte ich die Eutonie einmal nennen. Ich meine damit das Einüben „Raum zu werden“, der Leben beherbergen kann. Der Leib ist mehr als ein Körper, den ich habe! Er ist das Haus, in dem der Mensch als Ganzheit im psycho-physischen Sinne wohnt und geborgen ist. So ist es für den Menschen bereitet, wenn wir es heute auch fast nur noch beim unverbildeten Kind finden. Es ist noch „heil“ in seiner Spannung und lebt in gleicher Weise mit sich und seiner Umwelt.

Das Beispiel vom „unverbildeten Kind“ signalisiert uns, dass Eutonie nicht ein statisches Gleichgewicht auf allen Ebenen anzielt, das sogar Leben drosseln würde, sondern ein lebendiges Reagieren auf innere und äußere Situationen.

Moderne Lebensumstände greifen heute immer störender in die Spannung von Leib und Seele ein. Solche Störfelder verhindern einerseits, daß Menschen noch bei sich daheim sein können (sie sind „außer sich“!), und sie betäuben andererseits eine wache Wahrnehmung der eigenen Grenzen. Erschöpfung und kaputt sein ist die Folge.

Diese Un-Ordnung, die den Menschen überfällt, wird oft als Verspannung oder Unruhe erfahren, oder aber als Zer-Spannung (kaputt sein) oder gähnende Müdigkeit.

Das Geheimnis der Eutonie als Übungsweg lässt sich gut in ein paar Worten einschließen:

Das Wenige ... ist ihr Gerüst: Wenig Bewegungen und sehr langsam! Sie ist eine „leise“ Körperarbeit, die weder machen noch leisten will und kann, noch träumen und in eine Trance entgleiten. Sich erleben – in welcher Haltung und Bewegung auch immer – statt über mich wissen und mich in den Griff bekommen, darauf soll der Übende warten ... und alles ist eingebettet in Pausen, denn Spüren dauert!

Das immer wieder Aufmerken zum Beispiel auf diese eine Hand, auf diesen einen Fuß – auf die Naht zwischen der Haut und der Erde, die mich berührt –, immer wieder, bis sich einstellt, „daß ich was spüre“. Das kann sich jeden Augenblick verändern. Wichtig ist, nichts zu bewerten und sich immer wieder zu lösen und weiterzugehen ... von der eigenen Haut geleitet.

Der Augenblick ... Die Gegenwart ist die Zeit des Übens, das immer neue Jetzt. Leben kann ich nur „jetzt“, und nur jetzt kann Leben mir begegnen – „in dem Raum, der ich bin!“

Die Wahrheit.. ist das klare durch ... sichtige Ziel der Übungen. Wahrheit hat immer ein neues Gesicht in der Dynamik des Lebens - sie kann uns erfreuen und auf uns lasten. Ihr augenblickliches Gesicht ist meine Wahrheit jetzt, und: ich muß mich nicht mit diesem Etwas identifizieren. Es geht um ein Wahr-werden im Unterwegssein. Hilfreich als Vorübung für das „Sitzen in der Kontemplation“ sind zum Beispiel Übungen, die die Haut ansprechen. Sie ist das größte Sinnesorgan – meine lebendige Hülle, die mich immer und in jeder Haltung in die Berührung mit der Erde bringt. Was wir berühren, das berührt auch uns, und es lädt uns ein, „anzukommen“ – Getragensein beschenkt uns mit Vertrauen!

Es geht in der Eutonie nicht um eine Scheinharmonie. Es gibt keinen ein für allemal erreichten Zustand, sondern der dynamische Prozeß muß „.immer wieder“ realisiert werden.

Kontemplation

Ich möchte zurückkommen zum Einstieg „Kontemplation - eine grundlegende Weise, dem Leben zu begegnen“ und versuchen, eine Brücke zur Eutonie zu schlagen:

„Eutonie - eine grundlegende Weise, mich wach und wahrhaftig auf einen inneren Weg einzulassen!“ Denn wo anders kann der Mensch „dem Leben begegnen“ als in der eigenen Mitte? Und wie kann Leben atmen, wenn der Raum, in dem Leben wartet, verstopft ist? Jeder Schritt, der den Weg der Eutonie entwickelt, ist er nicht auch Einüben in die Weise, „dem Leben zu begegnen“? ... Der kontemplative Übungsweg lässt sich mit den gleichen Worten skizzieren:

Das Wenige ... „Nur dieser eine Atemzug“ – nur dieses eine Wort füllt die Augenblicke des „Sitzens“. Nichts verstehen wollen – warten, ohne zu fragen „worauf“ – alles ist Pause – und leer.

Das immer wieder ... Schauen und warten, was mir begegnet – und immer wieder loslassen, wonach ich greifen will. Mich bescheiden mit dem immer gleichen Wort immer die gleiche Haltung die gleiche Zeit – den gleichen Ort des Übens.

Der Augenblick ... nur dieser eine Augenblick kann jetzt von mir gelebt werden – und wie schnell ist der Blick meiner Augen vorbei, wenn er nichts festhält.

Die Wahrheit ... reißt immer wieder die Verhüllungen meiner Löcher und Flicken herunter – sie wirft ihr Licht auf die Gedanken, die mir nachrennen und auf mein müdes Abschweifen, wenn ich nicht mehr achtsam bin.

Und: es gibt keinen Zustand, den ich für immer erreichen könnte – Kontemplation ist ein Prozeß, der die „grundlegende Weise“ formt, „dem Leben zu begegnen“. Eutonie öffnet ihr den Leib und den ganzen Menschen.

Wilma Alfs,
Ehefrau, Mutter, Großmutter, Sozialarbeiterin mit Zusatzausbildung Erwachsenenbildung. Bis zum Ruhestand über Jahrzehnte im Bistum Köln tätig. Langjährige Eutonieschulung auf Grundlage der Scharing-Eutonie, Kontemplationsschulung bei P. Lutze, P. Lasalle und P. Jäger, Lehrerin der WSdK.

 

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